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H*meland Security und der Pacific North West

Von Hongkong gelangen wir innerhalb von 12 Stunden nach San Francisco – hier haben wir einen Anschlussflug nach Seattle. Aus vier Stunden Aufenthalt am Flughafen werden zwei unerwartete und äußerst verstörende Stunden bei H*meland Security inklusive dramatischen Einzelverhören.


Durch den Einwanderungsschalter sind wir schon etliche Male, wir erwarten die üblichen Fragen nach unserem Reisegrund und unserer Aufenthaltsdauer – dann das Lichtbild und der Fingerabdruck – eigentlich ist alles wie immer, eigentlich ist alles genauso wie die letzten zehn Male; einzige Ausnahme – diesmal wird uns zunächst die Einreise verweigert, unsere Reisepässe werden konfisziert und wir in einen anderen Raum geleitet. Und so sitzen wir in einem Warteraum der H*meland Security mit einigen anderen Menschen – Asiaten, Latinos und wir zwei. Der Raum ist recht kahl, es gibt eine Art Empfang, diverse Türen, die zu kleineren Büros führen, vier Uhren die Uhrzeiten verschiedener Zeitzonen anzeigen und ein goldener Bilderrahmen im A4 Format – darin ein Bild vom grinsenden orangefarbenen und frisch gebürsteten D*nald Tr*mp. Ein mulmiges Gefühl macht sich in uns breit; nach zwölf Stunden Flugzeit sind wir ziemlich müde und nicht wirklich für so eine Situation vorbereitet. Nach circa einer halben Stunde Wartezeit wird Tini in einen der Büroräume geleitet – nach zehn Minuten wird nach ihrer Begleitung Sissy gerufen. Und so sitzen wir getrennt von einander jeder in einem der kleinen lieblos gestalteten Büroräume – umzingelt von mal einem, mal zwei und gelegentlich sogar drei amerikanischen Beamten der H*meland Security. Einen freundlichen Gesichtsausdruck hat hier keiner, Verständnis für unsere Übermüdung oder gar unseren zeitnahen Anbindungsflug schon gar nicht.


Während Tini eine Frage nach der anderen beantworten muss, wird Sissy auf die Übereinstimmung der Antworten in regelmäßigen Abständen geprüft. Wir haben nichts zu verbergen, wir haben absolut nichts illegales in den Vereinigten Staaten geplant und wollen auch definitiv nach weniger als neunzig Tagen die USA wohlwollend wieder verlassen. Wir kennen unsere Geschichte, wir beide wissen genau was wir vorhaben, wir kennen unsere Route und unseren Kontostand – dennoch schaffen es die Beamten uns in unserer Ermüdung extrem zu verunsichern. Wir sind beide verhandlungssicher in der englischen Sprache, dennoch verlangt uns diese Extremsituation so einiges ab – darauf, dass wir keine Muttersprachler sind, wird wenig Rücksicht genommen. Und so geschieht es, dass uns kurzweilig vorgeworfen wird, dass unsere Geschichten nicht über einstimmen und das wir scheinbar unsere Geschichte während der Befragung abändern. Wow, einfach nur wow. Während Tini rot anläuft, ist Sissy nur noch am zittern. Eine Situation, die wir uns so schnell nicht mehr herbei wünschen.

Der Fragenkatalog erstreckt sich über unsere Aufenthaltsorte, die Menschen, die wir hier treffen werden, unsere genaue Route, unseren Kontostand und die Tatsache, dass einer von uns noch Geld vom anderen hat – es geht um den Verkauf unseres Vans in Neuseeland und den Kauf unseres Vans in den USA und ob wir dem Typen, der ihn in unserem Namen gekauft hat, noch Geld schulden. Wir werden gefragt, was unsere Beziehung zueinander ist, wie die Bekannten heißen, die wir besuchen und woher und wieso wir diese kennen. Portemonnaies werden gefilzt und Bilder in ihnen hinterfragt. Die Frage nach unserem Weiterflugticket hingegen scheint eher irrelevant zu sein und die Tatsache, dass wir über Neuseeland und Asien geflogen sind, keinen Sinn zu machen. Der Grund unserer Reise, nämlich „Reisen“, reicht ihnen als Grund leider nicht aus und da wir in Neuseeland gearbeitet haben, fragen sie uns, wieso wir denn nicht hier in der USA arbeiten wollen – äh, naja, weil wir kein Visum dafür haben und es illegal wäre. Fragen über Fragen - wann wir den amerikanischen Kontinenten wieder verlassen, was wir zuhause beruflich ausgeübt haben, was wir überhaupt in Alaska wollen und wie es sein kann, dass wir noch kein Hotel gebucht haben. „Es sieht schlecht für euch mit der Einreise aus.“ Die Aussagen und Fragen sind teilweise so absurd, dass man schreien möchte – weinen, lachen, alles zu gleich – nein, wir möchten nicht illegal einwandern, nein wir möchten nicht länger als die offiziell erlaubten Tage im Land bleiben, nein wir möchten keinen reichen Amerikaner heiraten; ganz im Gegenteil wir lieben unser Deutschland, unsere Krankenversicherung, unsere Urlaubstage und Rentenkassen und vor allem unsere Angie!

Nach einem Kontrollanruf bei Alex von Overland Titles, der uns unseren neuen Van in unserem Namen in Washington gekauft und registriert hat und der Gott sei Dank unsere Geschichte bestätigt, scheinen die schlechtgelaunten Herren der Behörde endlich unsere Geschichte zu glauben und nach zwei Stunden dürfen wir mit unseren Pässen in einem kleinen Täschchen mit Zahlenschloss weiter zur nächsten Station – die Herren dort sind, ganz im Gegensatz zu den vorherigen, total desinteressiert und lassen uns in null-komma-nix ins Land. Welcome to America! Noch total geflashed, verängstigt und ungläubig dem gegenüber was gerade passiert ist, rasen wir mit unseren Backpacks durch das Flughafengebäude, zum Check-In, durch die Sicherheitsschleuse und direkt weiter zum Gate – auf letzte Rille erreichen wir unseren Anschlussflug nach Seattle und fallen direkt in einen tiefen Schlaf. Was ein absurder Start in den dritten Teil unserer Reise!



Vanlife 2.0, Bremsflüssigkeit und Tony

Alex von Overland Titles holt uns gemeinsam mit Phil, einem anderen deutschen Reisenden, vom Flughafen ab. Die ersten zwei Nächte sollten wir bei ihm verbringen, gleich würden wir also auf unseren neuen Van treffen.

Da mit Fortschreiten der Reise natürlich auch unser Reisebudget etwas schrumpft, war diesmal leider kein so schicker Van wie Georgie drin, dafür aber ein kleiner flotter Flitzer von 2005, der uns zwar nicht ganz so luxuriös, aber dafür schneller und voraussichtlich zuverlässiger durch die USA und Kanada bringen soll.

Vor uns steht also ein, nein, unser (!) Dodge Grand Caravan von 2005, auf uns registriert, mit unserem ganz eigenen Washington State Kennzeichen – ein Siebensitzer, dessen hintere zwei Reihen komplett im Boden verschwinden; eine super Voraussetzung für den Einbau eines Bettes mit enorm viel Stauraum. Wir sind begeistert und positiv überrascht – wir dachten er wäre kleiner – wir lieben unser neues Zuhause auf vier Rädern schon jetzt.

Mit krassem Jetlag im Gepäck, wir sind ja schließlich 15 Stunden in den Vergangenheit gereist (damit hätte sicherlich selbst Marty McFly zu kämpfen), gehen wir einkaufen – Walmart und ein paar Sachen aus zweiter Hand aus dem Value Village: Matratze, Kissen, Bettlaken und Bettdecke, Gardinen, Kochutensilien, ein Gaskocher, sechs Flaschen Propan, Teller, Besteck, Schalen und Gläser, zwei Campingstühle, ein Tisch, Kisten zur Aufbewahrung unserer Sachen, eine Plane für Regentagen – alles was man eben so als professioneller Wildcamper braucht.



Nach zwei Nächten bei Alex, seiner schwangeren Frau Krystie und seinem ultracoolen Hund Jeronimo, mit leckerem Essen und viel Bier, machen wir uns dann endlich auf den Weg – unser Van ist eingerichtet und wir können es kaum erwarten, endlich den Pacific North West zu erkunden!


Wir machen uns also auf den Weg Richtung Portland und nach 60 Meilen erwartet uns auch schon unser erstes (eher ungewünschtes) Abenteuer. Ein seltsamer Geruch steigt uns durch die Klimaanlage in die Nase – leicht verbrannt, so als würde man an erhitzten Bahngleisen vorbeifahren, wie heißes Eisen eben – auch die Bremsen fühlen sich etwas komisch an, Gas geben ist auch seltsam. Wir nehmen die nächste Ausfahrt, telefonieren mit Alex und fahren zunächst zu einem Autozubehörladen, die unseren Van auslesen und danach zu einer Garage, wo unsere Bremsen getestet, repariert und die Bremsflüssigkeit aufgefüllt wird, da diese auf Grund einer lockeren Schraube ausgelaufen und auf die heißen Bremsen getropft ist – erklärt den Geruch. Mittlerweile sind wir richtige Profis im Auto Bizzz – soviel ist sicher! Keine Kosten, nur $20 Trinkgeld für den freundlichen Mechaniker Tony und die nette Dame vom Empfang, denen nur wichtig war, dass wir sicher reisen – wirklich toll. Unser Van ist wieder fahrtauglich und erhält Dank unseres tollen Mechanikers endlich seinen Namen: Tony!


Portland und der Nike World Headquarter

Trotz leichter Startschwierigkeiten, beginnt nun endlich unser Roadtrip in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dass wir in Amerika sind, merken wir sofort – von Wildcamping an Seen und im Grünen ist weit und breit keine Spur. Wir verbringen die erste Nacht zwar an einer netten Bootsanlegestelle, die zweite Nacht jedoch an einer Autobahnraststätte und teilen uns unseren Schlafplatz mit Obdachlosen, die eigentlich nicht obdachlos sind, aber den Wohnungspreisen der Westküste zuschulden, in ihren Autos leben und dem allgemeinen Bild eines Obdachlosen zumindest nahe kommen – die Jogginghose hängt auf halb acht, das T-Shirt bekleckert, die Schuhe durch gerockt und zudem eine verwirrte, leicht irre Gangart und Körperhaltung. 


In Portland angekommen erkunden wir ein wenig die Stadt, klappern einen Nike Store nach dem anderen ab und kaufen uns bei „ROSS – Dress for Less“ ein paar super günstig Klamotten – eine neue Hose, eine Levis Weste, ein paar neue Unterhosen von Tommy Hilfiger, eine Bluse um mal wieder etwas ordentlich auszusehen und das alles für ein bisschen Kleingeld. Im Anschluss fahren wir noch nach Beaverton, der Geburtsstadt von Nike und schauen uns als ehemalige Mitarbeiter und große Nike Fans erstmalig den gigantischen Nike Campus, den World Headquarter, an. Währen wir beide jetzt nicht arbeitslos, dann , ja dann hätten wir es jetzt wohl geschafft.



Nach unserem doch recht unspektakulären Aufenthalt in Portland machen wir uns auf der berühmten Küstenstraße, der US 1, auf den Weg zurück nach Washington – unterwegs beobachten wir noch ein paar Killer Wale in der Wildnis von einer Walbeobachtungsstation – Begeisterung macht sich breit als die kleinen Free Willis riesige Wasserfontänen in die Luft katapultieren.



Washington State

Zurück in Washington State, können wir verstehen warum dieser „The Evergreen State“ genannt wird – grün grün grün, der ganze Staat erstrahlt in grün. Abertausende Teutoburgerwälder haben hier ihr zu Hause gefunden und wir können uns gar nicht sattsehen an den Wäldern, Seen und Bergen.

Mount. Rainier und der PCT

Nach drei Wochen Thailand, nach Bangkok, nach Hongkong, nach 16 Stunden Reisezeit, nach einem zweistündigen Verhör bei der amerikanischen Einwanderungsbehörde, nach Kauf und Einrichtung unseres neues Vans, nach viel Zeitverschiebung und Jetlag, nach dem ersten Werkstattbesuch nach nur 60 Meilen.... nach all dem wurde es Zeit mal wieder zu atmen. Es wird Zeit für Bergluft - unsere Form von Wellness – unser Glücksgefühl.

Wir fahren zum Mount Rainier (aka Tacoma), einem der gefährlichsten Vulkane der Nation, 95km südöstlich von Seattle im Mount Rainier Nationalpark gelegen. Hier laufen wir den 6km langen Naches Loop auf 1783m, der auf der Nordflanke einem Teil des Pacific Crest Trail folgt. Thru-Hiker machen sich jedes Jahr auf den Weg und laufen den 4270 Kilometer langen Trail – von der US-mexikanischen zur US-kanadischen Grenze. Voller Stolz sind wir auf den Spuren von Cheryl Strayed und „The German Tourist“ und erholen uns so von der Aufregung der letzten Wochen auf unsere ganz eigene Weise.




An dieser Stelle etwas unbezahlte Werbung und ein wohl gemeinter Lesetip für alle Weltenbummler, Naturliebhaber und Wanderer und die, die noch nicht wissen, dass sie es mal werden wollen. Zwei unglaubliche wahre Geschichten zweier Frauen über ihre Wanderung auf dem PCT und noch viel viel mehr:

  • Cheryl Strayed – Der große Trip

  • Christine Thürmer – Laufen, Essen, Schlafen


Rattlesnake Lake

Ein kleiner Ausflug, eine kleine Wanderung am Rattlesnake Lake, 8 km hin und zurück, ganz oben überblicken wir den See, Mount Si und Mount Washington – weit in der Ferne zeigen sich die Rocky Mountains durch den leichten Wolkenschleier. Nach dem Abstieg runden wir den Tag mit einem Sprung in den See ab, dazu Pasta mit Seeblick und unser erstes wildes Schwarbärbaby in freier Wildbahn.



Pacific North West: Schlaflos in Seattle und der BVB

Wer ebenso verliebt in Grey’s Anatomie ist wie wir und wer nicht nur stiller Beobachter ist, sondern sich selber schon oft eine Rolle in dieser gigantischen Serie zugeteilt hat, der weiß, wie gigantisch es ist, endlich vor der Space Needle zu stehen!




Unser „Zuhause“ für die kommenden Tage in Seattle ist direkt am Washington Lake und dank einer dreitägigen Probemitgliedschaft für zero Euro im YMCA, haben wir einen Alltag mit Sport, heißer Dusche, Föhn, gratis Wifi und gratis Filterkaffee! Was das in Kombination für uns bedeutet, versteht nur ein Reisender.


In den kommenden Tagen klappern wir also unsere Touristenliste ab – zu Fuß oder wahlweise per Uber Elektrofahrrad. Natürlich geht es vorbei an der Space Needle und dem Seattle Center, direkt daneben zeigt sich das Museum of Modern Pop in einer einzigartigen architektonischen Gestaltung, es geht zum Gasworks Park und zum Pike Place, der sich mit seinen Marktständen von seiner besten amerikanischen altmodischen Seite zeigt, zum ersten Starbucks, wo wir uns auf Grund der viel zu langen Schlange auf gar keinen Fall anstellen und zum Kerry Park, von wo man eine perfekte Sicht auf die Skyline von Seattle hat – hier sitzen wir zwischen vielen Touristen auf einer Mauer, trinken einen Kaffee und teilen uns einen Zitronenkuchen. Wir machen noch eine Radtour entlang am Hafen und schlendern ein wenig durch die Stadt. Zum Schluss laufen wir, als wahre Grey’s Anatomy Fans, noch zum Harbourview Medical Center - das Krankenhaus auf dem die ganze Geschichte basiert - und zum Intern House – das Haus, in dem Meredith, George und Izzy und irgendwie auch alle anderen Charaktere in der Serie gewohnt haben.