Welcome To Te Puke. Kiwifruit Capital of the World.
16 Nächte in Papamoa, Pukehina und Te Puke 2 Nächte in Whangamata 15 Arbeitstage 113.5 Arbeitsstunden
10 Hektar Kiwi Plantage 2.250 Meter geschnittene Kiwibäume 2.400 Meter neue Ringelung an Kiwibäumen
10 Peanutbutter and Jelly Sandwiches 10 Liter Gatorate 60,5 Stunden „Die drei ???“
$3.612,88 Neuseeländische Dollar Cash in Täsch
Weil ein 26 Stundenflug, drei Nächte in einem Hostel voller Jugendliche und der Kauf und das Einrichten eines Vans nicht schon anstrengend genug sind, fangen wir direkt am 09.01.2019, keine vier Tage nach Ankunft in Neuseeland, unseren ersten Job an. Unser Work-and-Travel Program fahren wir also ganz nach dem Motto: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“.
Eine kurze Bewerbung über das neuseeländische Backpackerboard, ein Anruf von Chloe und die lebensverändernde Frage „Könnt ihr morgen anfangen?“.
So deutsch wie wir sind, sagen wir natürlich nicht nein. Eine dreieinhalb stündige Autofahrt in unserem alten George trennt uns von einer der wohl größten beruflichen Herausforderung, der wir uns je stellen werden.
Was bringen wir mit? Die eine ein Studium im Bereich Sportmanagement, die andere in Psychologie, einige Jahre Berufserfahrung im Vertrieb, Marketing, HR und Coaching. Wir können alles und sind voll die All-Rounder. Zudem sind wir sportlich, fit und jung, eine von uns sogar Profisportlerin. Wir sind zu allem bereit und haben richtig Bock auf körperliche Arbeit, denn wir haben uns ja ganz bewusst gegen unsere Bürojobs entschieden. Wir wollten weg von 9-to-5, wir wollten raus aus den Büros, weg vom Laptop – wir wollen in die Natur, uns körperlich betätigen und bodenständige körperliche Arbeit leisten. Tja, wir wollten es ja so!
Unser Studium, die Berufserfahrung und selbst die Sportlichkeit können wir fürs erste Zuhause lassen.
Das was jetzt kommen sollte, sprengt unsere Vorstellung. Wir machen uns kurzerhand, mit neuseeländischen Handynummern, Bankkonten und Steuernummern im Gepäck, auf eine dreieinhalbstündige Autofahrt nach Te Puke: Ein Roadtrip voller Vorfreude und Aufregung auf die Ostküste der Nordinsel und eine Freudenfahrt, die uns endlich raus aus Auckland bringt und rein ins wahre Neuseeland.
Wir suchen uns einen Schlafplatz auf einem ruhigen Parkplatz an einem Sportplatz mit endlosen Wiesen, auf denen die Einheimischen am Wochenende Rugby spielen. An diesem Abend zelebrieren wir unser erstes hausgemachtes Van-Abendessen und genießen die Ruhe bei einem Glas Wein. Es folgt unsere erste Nacht in unserem kleinen neuen Zuhause – inmitten von Lichterketten freuen wir uns auf die ersten Träume in unserem neuen Bett, kuscheln uns beim Heimkino auf dem iPad ein und können es kaum abwarten, unseren neuen Job am nächsten Tag um 8.15 Uhr anzutreten.
Das Klingeln des Weckers macht uns dank fortbestehendem Jetlag nicht viel aus. Ein kläglicher Versuch mit der Solardusche, ein Kaffee aus der French Press, ein Toast und eine Katzenwäsche auf dem Sportlerklo später, machen wir uns auf Richtung Arbeit. Endlich arbeiten! Aus der Retroperspektive hört sich das wirklich irrsinnig an. Hatten wir nicht gerade erst unsere Jobs in der Heimat gekündigt und den neunten Morgen unserer heißersehnten Arbeitslosigkeit verlebt?
8.15 – es ist soweit. Wir treffen Chloe auf einer riesigen KIWI PLANTAGE, die ab heute unser „Büro 2.0“ sein soll. Chloe ist die Schwiegertochter vom Plantagenbesitzer und geht mit uns unseren Arbeitsvertrag durch – die Sicherheitsvorkehrungen sollen wir uns irgendwann mal in Ruhe durchlesen. Dann treffen wir auf Robbie, den Häuptling der Kiwis. Wir freuen uns auf seine Einweisung und darauf, endlich offiziell Kiwipflücker zu werden. Tja, mal wieder zu früh gefreut. Die kleinen Scheißerchen sind natürlich noch lange nicht reif und sind erst im April bereit für die Ernte. Robbie weißt uns also kurzerhand in unsere Tätigkeit ein: „Pruning“ – kurzum, ab heute schneiden wir Äste. Ab heute sind wir also offiziell Gärtner auf einer Kiwiplantage in Te Puke.
Te Puke, die Kiwihauptstadt der Welt!
Die Einweisung war kurz und bündig. „Schneidet die dicken und langen Äste ab, lasst die kurzen fluffigen dran.“ – was auch immer fluffig bedeutet. Als Arbeitsmaterial gab es für jeden eine gute deutsche LOEWE Gartenschere und eine Sprühflasche Meths – nein, kein Crystal Meth, sondern Methylated Spirits (Brennspiritus) zum Reinigen der Scheren zwischen den Bäumen, um die potentielle Verteilung von Infekten von Baum zu Baum zu vermeiden.
Schnell lernen wir so allerlei über die kleine grüne ovale, stets unrasierte Frucht. Dass es goldene und grüne Kiwis gibt wussten wir bereits. Aber wer weiß schon, dass es weibliche und männliche Bäume gibt und dass nur die weiblichen Bäume Früchte tragen? Die männlichen stehen immer brav eingereiht zwischen den früchtetragenden Damen und werden tatsächlich nur einmal im Jahr zur Bestäubung der Damen gebraucht... hier kommt die alte Geschichte mit den Bienchen ins Spiel. Und während die Damen also tausende von kleinen Kiwis austragen und die schwere Arbeit leisten, stehen die Kerle mal wieder „nach getaner Arbeit“ dumm in der Gegend rum, wachsen wild in alle Richtungen und nehmen den tragenden Damen auch noch das letzte Sonnenlicht (irgendwie gar nicht so unbekannt die Geschichte, oder?). Hier kommen wir übrigens ins Spiel – wir retten nämlich die Damen und die Baby-Kiwis vor den wilden Kerlen. Wir trimmen ihre Äste, stutzen und beschneiden sie, so dass die Damen ausreichend Sonnenlicht bekommen. Das Sonnenlicht dürfen sie natürlich nur indirekt durch Reflektion einer am Boden liegende weißen Plane bekommen, sonst bekommen die armen kleinen Dinger nämlich, ähnlich wie wir Menschen, einen Sonnenbrand. Haben sie erst mal einen bekommen, werden sie es niemals in die Supermarkt Regale der großen weiten Welt schaffen, sondern landen direkt auf dem Kompost. Viel braucht so eine Kiwi also eigentlich nicht – nur Wasser, Sonnenlicht und Nährstoffe und unserer Meinung nach, Liebe und etwas Small-Talk. Zudem müssen die Damen ab und wann geringelt (Girdling) werden. Durch das sogenannte Ringel Verfahren, wachsen kurzum die Damen und somit auch die kleinen Kiwis schneller... wer mehr wissen will, darf uns gerne kontaktieren, ansonsten ist Wikipedia ein hervorragender Informant.
Da wir das sogenannte Ringeln, leider nur an zwei unserer fünfzehn Arbeitstage machen dürfen, wird das Äste schneiden schnell, nachdem die anfänglichen Schmerzen in den Händen nachlassen und auch die Anfangseuphorie über die Gehaltserhöhung von $1 pro Stunde abflacht, „etwas“ eintönig. Um uns unsere acht Stunden Arbeitszeit etwas angenehmer zu gestalten, spielen wir Stadt-Land-Fluss oder Erkenn-den-Song-den-ich-summe.
Alternativ hören wir 53 Prozent unserer Arbeitszeit „Die drei Fragezeichen“.
So kommen wir schnell auf 60.5 Stunden Hörspielzeit auf Spotify und kennen jetzt den ein oder anderen spannenden Fall aus Rocky Beach, den die drei Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews lösten.
Die kommenden Nächte verbringen wir auf diversen kostenfreien Campingplätzen, schlafen meistens direkt am Strand von Papamoa, so dass wir am Abend nach getaner Arbeit entspannt ins Meer springen können und danach Dank kalter Stranddusche frisch und belebt vor oder in unserem liebsten George den Abend ausklingen lassen. Im Rücken das Meer, vor uns ein See gefüllt mit Pipi und Pupu (maorische Begriffe für Meeresfrüchte), die arte Arbeit ist vergessen, wir sind im Paradis und fallen am Abend total erschöpft und super glücklich ins Bett. Am nächsten Morgen können wir zum Meeresrauschen aufwachen und strecken nach dem Öffnen der Heckklappe unsere müden Füße ins wärmende Sonnenlicht. So geht das über mehrere Tage, wir leben uns richtig gut ein.
Das erste Wochenende haben wir frei und verbringen es mit unseren Ösi Freunden Stefan und Roland beim Surfen in Whangamata. Direkt nach dem ersten freien Wochenende regnet es den ganzen Montag, weswegen wir leider nicht arbeiten gehen können. Das trifft sich tatsächlich ganz gut, da Sissy die Nacht auf der öffentlichen Toilette mit einer mittelschweren Lebensvergiftung verbringt. Nachdem die Butterchicken-Lebensmittelvergiftung überstanden ist und parallel noch ein ausgerissener Hund namens Oscar von uns gerettet wird, sind wir wieder bereit für unsere Kiwis. Jetzt heißt es zwei Wochen durcharbeiten, ganz ohne Wochenende, ein paar Nächte schlafen wir nochmal in Papamoa, wo wir unter anderem unsere liebsten deutschen Freunde Linda und Stefan kennenlernen und können somit endlich mal wieder mit Menschen Ü18 beziehungsweise Ü30 und somit in unserem Alter sprechen. Die letzten fünf Nächte mieten wir uns dann auf einem richtigen Campingplatz für $12,50 pro Person pro Nacht ein – hier treffen wir auf die unterschiedlichsten Menschen, die meisten blutjung und frisch durch's Abitur, nutzen die Gemeinschaftsküche mit einem echtes Ceranfeld und (!) können uns nach zwei Wochen im Kiwiland endlich, zumindest kurzfristig, wieder zu den Warmduschern zählen.
Endlich wieder Warmduscher.
Ansonsten freunden wir uns mit der Zeit mit dem Getier der Kiwi Plantage an – mal eine kleine Spinne, die sich vom Rande des Huts abseilt, ein quietschgrüner Gras Hüpfer, der uns ein paar wirre Blicke zuwirft, Zikaden, die komplett orientierungslos durch die Gegend und ins unsere Gesichter fliegen, sowie ihre vertrocknete Käfer-Ursprungsform (die durchleben übrigens eine ähnliche Geschichte wie die Raupe und der Schmetterling), wunderschöne türkisfarbene Vogeleier mit schwarzen Punkten, die meist, aber nicht immer unbewacht von Mama, in ihrem Nest aufs Schlüpfen warten, Ohrenkneifer, die bisher nicht so beliebt sind und andere kleine quietschgrüne quadratische Käferchen.
Im Nachgang stellen wir neben unserer stets wachsenden Tierliebe fest, dass wir eventuell den ein oder anderen Sicherheitshinweis gekonnt ignoriert haben, wie zum Beispiel, dass man stets die zur Verfügung gestellte Toilette nutzen soll. Naja, wer geht schon gerne in eine fünfzig Quadratzentimeter große Holzhütte, um von Spinnen beobachtet, ein das Klo ohne Spülung zu benutzen. Dann doch lieber den Kiwibäumen etwas Gutes tun.
In diesem Sinne, wünschen wir allen ein genüssliches Verzehren der neuseeländischen Kiwis diesen Sommer – sie wurden allesamt mit Liebe behandelt und auf natürlichste Weise, mit ein bisschen Pipi, ein bisschen Brennspiritus und vielen Stunden spannender Detektivfälle, herangezüchtet.
15 Tage auf einer Kiwi Plantage zu arbeiten war definitiv eine einmalige Erfahrung, die uns nicht nur in den Armen, sondern sicherlich auch im Wesen stärker gemacht hat, die unsere Wertschätzung für körperlich arbeitenden Menschen deutlich hat wachsen lassen und die wir so schnell nicht vergessen werden. Umso mehr freut es uns, dass sowohl Chloe, als auch Robbie der Kiwi Häuptling, mit unserer Arbeit zufrieden waren, denn beide haben uns dazu ermuntert, zwischen April und Juni nach Te Puke zur Ernte wieder zurück zu kommen und ein Teil ihres Teams zu werden – zum Abschied gab’s sogar noch drei frischgepflückte Avocados vom Chef.
Ob uns unser Weg hier in Neuseeland zum Studium im Bereich Kiwi Orchard Management führen wird, oder ob wir doch Animateure auf einem Touristendampfer auf den Milfourd Sounds oder Kartenabreißer im Skigebiet werden, werden wir euch natürlich berichten.
Bis dahin, mögen die Kiwis mit euch sein!
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